Samstag, 12. Januar 2013

gedanken zur diskussion rund um die epidemiengesetzrevision

die artikel- samt titel bei newsnet und 20min.- zur epidemien-gesetzesrevision sind irreführend: in der schweiz ist die entkriminaliserung der HIV-übertragung oder der HIV-exposition (risiko e. übertragung) weit entfernt.

es geht einzig um eine entschärfung des zusätzlichen strafmasses durch den art231stgb. d.h vorallem, dass art231stgb in den fällen nicht mehr automatisch zum tragen käme, bei denen, das übertragungsrisiko keines war, weil der/die HIV-positive sexualpartnerIn nichtinfektiös ist, und/oder wenn alle beteiligten in kondomlosen sex vorgängig eingewilligt haben und keine abhängigkeiten und/oder gewalt mit im spiel war. d.h. weiterhin wird es verurteilungen geben.
insbesondere bei gewalt, abhängigkeiten u.a. greifen ganz andere gesetzesartikel.

die kommentare lesen sich sehr schwerverdaulich. fazit: faktenresistentes (wobei ich betonen möchte, dass die artikel auch dazu in wenig hilfreicher form und sprache daher kommen!)verurteilen und stigma bewirtschaften, damit(?) die meisten kommentierenden sich als bessere menschen im recht fühlen und dieses "einfordern."

interessant wäre es gewesen, wenn in den artikeln nicht nur durchdringen würde, dass sich die schreibende(N) über das schweigen des BAG und der kommission für sexuelle gesundheit (vormals EKAF) wundern, sondern eben beleuchten würde(n), warum geschwiegen wird.

ich meine, dass sich bundesamt wie kommission (unter anderem?!) zu "heimlichkeiten" bzw schweigen entschieden haben, aus der angst heraus, dass fakten und aufklärung nicht gegen stigmatsierung und vorverurteilung ankommen. ich meine, dass genau dies nun durch die gewählte taktik gefördert wurde.

die taktik des schweigens und aussitzens erachte ich als falsch und höchst bedenklich. entstigmatsierung wird nicht mit schweigen erreicht. das "volk" für zu dumm zu erklären, fakten verstehen zu können und offen für aufklärung zu sein, halte ich für fatal bis überheblich. ein menschenbild, das jeglicher aufklärung und meinem verständnis von mündigen bürgerInnen in jeder demokratie diametral entgegensteht.

schon bei der veröffentlichung der fakten zur nichtinfektiosität im januar 2008 fürchteten viele, dass die informationen missverstanden würden. tatsache ist aber, dass die ängste im vorfeld unbegründet waren. menschen können durchaus informationen richtig einordnen und in ihren lebensalltag integrieren. dies zeigte u.a. auch eine extra dafür in auftrag gegebene studie.

die explizit an mich gerichtete aufforderung, während den abstimmungen im parlament, ebenso zu schweigen, habe ich bewusst übersehen. ich bin weder befehlsempfängerin noch bereit dinge unter den tisch zu kehren und so zu tun als wären meine mitmenschen schlicht zu dumm und faktenresistent.

abgesehen davon war schweigen noch nie der aktivistInnen weg. und meiner schon gar nicht. ich habe dafür nicht über mehr als ein jahrzehnt auch bewusst mein gesicht und meine stimme eingesetzt, um den vorurteilen, dem stigma und selbststigma rund um HIV/AIDS etwas entgegen zu setzen. meine ansichten zur kriminalisierung sind hinreichend bekannt. ich habe ebenfalls mehrfach öffentlich bekannt mich selbst seit jahren durch die ungerechte und absurde gesetzgebung strafbar zu machen.

meiner meinung nach, kann die entschärfung des art231stgb nur ein anfang sein. ein erster schritt die ungleichbehandlung in ihrer absurdität zu verringern und die scheinsicherheit der sogenannt nicht-betroffenen durch ebendiese aufzuheben.

zu einem wirklichen miteinander im privaten und öffentlichen leben, muss ent-stigmatsierung und die aufhebung der einseitigen (auch gesetzlichen) verantwortung von menschen mit HIV und AIDS ein ende haben.

nur auf der basis von gleichberechtigung und mitmenschlichkeit kann die nötige offene kommunikation und gemeinsame sorgfalt zum tragen kommen, damit prävention und risikominimierung respektvoll und nachhaltig ihre wirkung entfalten können.

insgesamt haben wir für den moment den "salat".
und wer weiss, ob es jetzt noch unterschriften für das referendum gegen die revision des epidemiengesetz, welches gerne vom parlament, umgangen worden wäre, hagelt?
evt. ein eigengoal. und: mehr als eine verpasste chance.

vielleicht auch kein zufall, dass die artikel, in dieser form, eine woche vor ablauf der referendumsfrist erschienen sind. mit impfgegnern punktet es sich vielleicht weniger gut beim gros der bevölkerung... ein schelm wer böses dabei denkt.

hier die angesprochenen artikel von newsnet: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Der-Bund-will-die-Uebertragung-von-Aids-entkriminalisieren/story/27104301 und 20min. http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Fahrlaessige-Verbreitung-von-Aids-bald-straffrei--20817266


1 Kommentar:

Dirk Alvera hat gesagt…

Wer sich versteckt wird nichts in seiner Sacher erreichen. Das war schon eine wichtige Erkenntnis der Schwulenbewegung. Hieß es früher "mach dein Schwulsein öffentlich" muss das heute auf HIV übertragen werden. Nur so werden wir den Kampf gegen Stigmatisierung, Diskriminierung uns Ausgrenzung gewinnen können. Sicher wird es immer ein paar unverbesserliche geben, Die gibt es aber in allen Bereichen des Lebens.
Eine Strafverfolgung wegen der Übertragung von HIV bei einvernehmlichen Sex darf es nicht mehr geben. Da hast du vollkommen recht.
In der FAZ ist derzeit "
HIV-Infektion „Auch mit der Behandlung bleibt ein Restrisiko“ zu lesen. Ein Artikel der viele Missverständnisse auslösen kann.
http://www.faz.net/aktuell/rhein-main/hiv-infektion-auch-mit-der-behandlung-bleibt-ein-restrisiko-11974155.html